14. Februar 2023
|Thomas Haßlöcher
Überstundenrückstellungen – ein Schatz, den es zu heben gilt
Gerade in Zeiten boomender Märkte ist es ein probates Mittel, mit zusätzlicher Arbeitszeit Kapazitätsengpässe zu meistern. Kommt jedoch ein Fachkräftemangel hinzu, wird die Mehrarbeit schnell zu einem über Jahre andauernden Alltag, der sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte gleichermaßen belastet. So stiegen die geleisteten Überstunden, Mehrarbeit und Resturlaubstage in deutschen Unternehmen kontinuierlich an, was zu immer mehr Frust bei den Beteiligten führt. Jetzt gilt es, trotz dieser Mehrarbeit das Bilanzbild des Unternehmens zu verbessern und dabei zusätzlich einen positiven Effekt für die Altersabsicherung der Beschäftigten zu erzielen. Sobald dieses Ziel erreicht ist, bekommen die geleisteten Stunden wieder einen echten Wert und werden gleichzeitig zu einem flexiblen Vergütungsbestandteil moderner Arbeitsmarkt- und Personalpolitik.
Überstunden: kaum geschätzt, aber enorm wichtig
Überstunden sind im aktuellen Umfeld unvermeidbar. Denn mit dieser Form der «atmenden Arbeit» im Betrieb können Kundenbedürfnisse, Mitarbeiterorientierung und die Wirtschaftlichkeit des Betriebs in Einklang gebracht werden, zumindest in der Theorie. In der Praxis ist der Begriff Überstunden derzeit weder bei Arbeitgebern noch bei Beschäftigten positiv belegt. Während die Beschäftigten die hohe steuerliche Belastung bei einer Auszahlung als negativ bewerten, steht der Arbeitgeber einem Abbau in Freizeit kritisch gegenüber, denn schließlich braucht er derzeit (!) jeden Beschäftigten im Betrieb. Stimmen aus Politik oder Sozialverbänden setzen häufig Überstunden mit Ausbeutung der Beschäftigten gleich und fordern gelegentlich, dieses Instrument vollständig aus der betrieblichen Praxis zu verbannen.
Letztlich kann man beim Thema Mehrarbeit unter-schiedliche Auffassungen vertreten. Klar ist, dass sie in der Vergangenheit, gegenwärtig und auch in Zukunft nötig sein wird. Denn solange Betriebe wachsen, der Bedarf an Fachkräften nicht gedeckt werden kann und jeder Dienstleistungen und Konsumgüter oder einen Hausbau «zeitnah» erfüllt haben möchte, wird dieses Instrument genutzt werden (müssen).
Akzeptiert man also die Tatsache, dass bereits mehr als eine Milliarde dokumentierte Überstunden bestehen, die noch nicht verwertet wurden; unterstellt man weiter, dass der gute Arbeitsmarkt weiter bestehen bleibt, was wir uns alle wünschen, dann ist es nur konsequent, diesen enormen Schatz an Überstunden nicht als Belastung, sondern als Chance für alle Beteiligten zu verstehen.
Überstunden: bilanziell für Unternehmen und steuerlich für Beschäftigte wenig attraktiv
Überstunden sind juristisch betrachtet eine Forderung des Beschäftigten auf Vergütung von erbrachter Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgeber; letztlich also eine Schuld des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten. Diese Schuld muss auch dokumentiert und bei Kapitalgesellschaften bilanziert werden. Durch das jährliche Fortschreiben von Überstunden in der Bilanz wird der Beschäftigte zu einem Gläubiger des Unternehmens und das Unternehmen zu einer Bank für die Beschäftigten, wie das nachfolgende Beispiel aufzeigt:
- Firma mit 150 beschäftigen
- 100 Beschäftigte bauen jährlich je 133 nicht ausgezahlte Überstunden auf
- Stundenlohn von 25 €, zzgl. 20 % Arbeitgeberanteil Gesamtsozialversicherung
- Gehaltstrend von 3 % p.a.
- Rückstellungen alleine für Überstunden 400.000 € p.a.
Durch das Fortschreiben der Überstunden wächst deren Wert im Beispiel pro Jahr bilanziell um 3 % an, obwohl die Zeit bereits zu einem geringeren Stundensatz erarbeitet wurde. Die Firma verzinst die Schuld also mit 3 % p.a. und wird damit zu einer Bank für den Beschäftigten mit einem erheblichen Finanzierungsrisiko (s. Grafik: rot). Diesem Bilanzierungsaufwand steht eine einkommensteuerliche Belastung der Überstunden bei Auszahlung gegenüber, die dem Mitarbeiter wiederum wenig Freude bereitet. Darüber hinaus dürfen Beschäftigte streng genommen gemäß Sozialversicherungsgesetz nur bis zu einem Monat Überstunden in Zeit ansparen, was in vielen Unternehmen schon heute einen Gesetzesverstoß bedeutet. Die Frage stellt sich: Wie lässt sich mit einem einzigen Schritt eine «winwinwin» Situation betriebsindividuell erreichen, ohne die Flexibilität im Unternehmen zu reduzieren? Die Lösung: mit Zeitwertkonten.
Das Unternehmen entkoppelt somit große Teile der erarbeiteten Überstunden von künftigen Gehaltserhöhungen. Die Beschäftigten wiederum erhalten unmittelbar einen Geldwert gutgeschrieben – ohne sofortige Besteuerung und bei gleichzeitigem Insolvenzschutz. Mit der frühzeitigen Finanzierung von erarbeiteten Überstunden kann die Bilanz des Unternehmens entlastet und Vorsorgekapital für den Beschäftigten aufgebaut werden. Durch einen sozialversicherungsrechtlichen und steuerlich optimierten Auszahlungsmodus profitieren Unternehmen, Beschäftigte und Sozialstaat langfristig vom heutigen wirtschaftlichen Aufschwung.
Zeitwertkonto als ideales Konto für bezahlte und abgesicherte Zeit
Führt ein Unternehmen für seine Beschäftigten ein Wertguthaben in Form eines Zeitwertkontos ein, auf das bspw. drei Viertel der im Beispiel genannten 133 Überstunden pro Jahr eingezahlt werden, hat dies folgenden Effekt:
1. Win:
3,6 € Mio. Bilanzoptimierung über 12 Jahre, Restschuld
in Zeit nur noch 1,46 Mio. € (statt 5,85 Mio. €)
2. Win:
Ca. 41.000 € sichtbares und portables Kapitalvermögen für den Beschäftigten nach 12 Jahren allein durch Überstunden
3. Win:
Ca. 1 Jahr bezahlte Zeit inkl. Sozialversicherungsschutz und Rentenpunkten zur Erhaltung des Lebensstandards im Alter
Fazit: Überstunden werthaltig machen mit Zeitwertkonten
Damit zusätzliche Arbeitszeit als Motivations- und Vergütungselement ihren Wert hat, sollte sie gezielt eingesetzt und klar kommuniziert werden. Erarbeitete Zeit mit einem Geldwert zu versehen und gegenüber dem Beschäftigten als dessen Guthaben darzustellen, macht aus einer gefühlt wertlosen Mehrarbeit nicht nur ein attraktives «Zeitbudget», sondern befreit die Bilanz des Unternehmens darüber hinaus von unnötigem Ballast. Ein Gewinn für alle.
Jetzt Überstundenrückstellungen beseitigen!