1. Juni 2022

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Thomas Haßlöcher

Gesellschafter Geschäftsführer und Zeitwertkonten – Es kommt wieder Bewegung in die Auszeitvorsorge für Organe

Die Fragestellungen rund um die Nutzung von Zeitwertkonten durch Organe von Kapitalgesellschaften, insbesondere wenn es sich dabei um Gesellschafter-Geschäftsführer („GGF“) handelt, stellen seit langem ein Themenfeld dar, das häufig im Fokus von Finanzverwaltung, Rechtsprechung, aber auch Unternehmen steht.

Bereits mit Veröffentlichung des Rundschreibens des Bundesministeriums der Finanzen („BMF“) vom 17.06.2009 war die Verwunderung groß, dass man Organe von Körperschaften vom Anwendungsbereich der Zeitwertkonten ausgenommen hatte. Denn die Begründung war mehr als dünn. Offen gestanden war sie schon damals nicht zeitgemäß. Denn man hatte formuliert, dass „die Nutzung eines Zeitwertkontos mit dem Aufgabenbild des Organs einer Körperschaft nicht vereinbar“ sei.

 

Es dauerte keine 10 Jahre, da kippte der Bundesfinanzhof diese Verwaltungsanweisung für die sogenannten Fremdgeschäftsführer, also Organe einer Körperschaft ohne Beteiligung an der Gesellschaft. Entsprechend erging kurze Zeit später ein weiteres Rundschreiben des BMF, am 08.08.2019, mit dem Hinweis für die Finanzverwaltung, dass die Fremdgeschäftsführer durchaus Zeitwertkonten nutzen dürfen, aber alle anderen Organe, insbesondere die beherrschenden GGF, weiterhin vom Zeitwertkonto ausgeschlossen bleiben. Die pauschale Begründung dieses Rundschreibens vom 08.08.2019 für den weiteren Ausschluss des GGF hieß einfach und schlank: „verdeckte Gewinnausschüttung“.

So pauschal, so falsch, wie das Urteil des hessischen Finanzgerichts unter dem Aktenzeichen 4 K 1476/20 feststellte.

Der Sachverhalt

Dieser Entscheidung, deren Argumentation zeitgemäß, nachvollziehbar und seit Jahren auch die Linie der PensExpert ist, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, hat ihren Gesellschafter-Geschäftsführern die Möglichkeit eingeräumt, Gehaltsbestandteile brutto in ein Investmentkonto einzuzahlen, um so Vorruhestandszeiten als Freistellung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu finanzieren.

Für Gesellschafter-Geschäftsführer des Unternehmens wurde in der Zeitwertkontenvereinbarung die Verwendung des angesparten Guthabens auf Zeiten des Vorruhestands beschränkt.

Auf dieser Basis wurde für einen GGF eine Wertguthabenvereinbarung geschlossen und dieser verzichtete auf Entgelt in Form von erdienten Sonderzahlungen zugunsten der Finanzierung eines Vorruhestandes.

Im Rahmen der Durchführung einer Lohnsteueraußenprüfung qualifizierte das zuständige Finanzamt die Einzahlungen in das Zeitwertkonto als verdeckte Gewinnausschüttung. Eine derartige Einstufung wurde mit Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.11.2015, I R 26/15, begründet. Gemäß der in Bezug genommenen Entscheidung sei die Vereinbarung eines Zeitwertkontenmodells nämlich nicht mit dem Aufgabenbild eines Geschäftsführers vereinbar. Da war sie wieder, die Begründung aus dem Jahr 2009.

Die Klägerin widersprach der Entscheidung mit der Begründung, dass im vorliegenden Fall lediglich ein Lohnformwechsel stattfand, die Inanspruchnahme auf den Vorruhestand beschränkt wurde. Zudem wurde der GGF mit Beginn des Vorruhestands von seinen Pflichten als Geschäftsführer befreit, sodass er während der Freistellung kein Gesellschaftsorgan mehr war.

Der 4. Senat des hessischen Finanzgerichts sah die Klage als begründet an und stellte in seinen Entscheidungsgründen fest, dass das Finanzamt zu Unrecht die Zuführung zum Zweitwertkonto ablehnte und insbesondere als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert hatte. Das Finanzgericht führte aus, dass „unter einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen ist, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (Rz 17).“

Es wies zudem darauf hin, dass dann eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen würde, wenn dem GGF durch die Kapitalgesellschaft ein Vermögensteil zugewendet wurde, der im Rahmen eines Fremdvergleichs unter Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt worden wäre.

Den Hinweis des Finanzamtes auf die Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2015 zur verdeckten Gewinnausschüttung wies das Finanzgericht als auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar zurück.

Fazit

Über fast 15 Jahre nach Veröffentlichung des BMF Rundschreibens zum Ausschluss von Organen einer Kapitalgesellschaft aus dem Anwendungsbereich der Zeitwertkonten kassierten die Gerichte nach und nach diese Aussage des BMF. Und das ist auch gut so. Denn auch Geschäftsführer, ob Gesellschafter oder nicht, sollten die Möglichkeit haben, abgesichert eine Auszeit zu finanzieren. Dies entspricht durchaus dem heutigen Leitbild eines Organes, insbesondere dann, wenn man die Arbeitswelt flexibel gestaltet, auch in der Führungsetage.

Dass diese Finanzierung aktuell nach der Entscheidung des FG Hessen in erster Linie über Entgeltumwandlung und mit dem Ziel „Vorruhestand“ erfolgen soll, ist ein erster richtiger Schritt. Denn hier greifen weder verdeckte Gewinnausschüttung noch ein „Verstoß“ gegen das Aufgabenbild des Organs.

Die Rechtsprechung des hessischen FG ist nur eine Einzelentscheidung, doch zeigt sie gut begründet, dass das BMF gut beraten ist, dieses 2009 verfasste Rundschreiben nochmals zu ergänzen, um weitere Niederlagen vor Gericht zu vermeiden. Es bleibt nun die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde abzuwarten (Az. des BFH: I B 87/21), doch der Weg scheint frei für mehr Flexibilität im Arbeitsleben, auch bei Organen einer Kapitalgesellschaft.

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